Sonntag, 28. Juni 2020

Kölner Archiv-Einsturz: Gut 11 Jahre danach

3. März 2009, am frühen Nachmittag. Ein Anruf reißt mich aus der Alltagsarbeit. Ich sitze gerade an einem Fernsehbeitrag für die „Lokalzeit Köln“. Der Anruf sollte eines der schlimmsten Unglücke der Kölner Stadtgeschichte mitteilen, gleichzeitig für mich eine absolut außergewöhnliche Einsatz-Zeit als Reporter.

Eine Kollegin hatte ausgerechnet in meinem Auftrag alte Unterlagen des Kölner Stadtrates im „Historischen Archiv der Stadt Köln“ recherchiert. Sie rief mich an und teilte mit, dass die Recherche-Ergebnisse verschwunden seien – weil das Stadtarchiv eingestürzt und ihr Laptop nicht mehr da sei. Zum Glück ging es ihr gut. Ich machte mich sofort auf den Weg. Von den WDR-Arkaden zur Unglücksstelle ist es nicht weit, so dass ich als einer der ersten vor Ort war. Per Mobiltelefon informierte ich die Redaktion, wurde direkt für ein erstes Live-Stück auf den Sender genommen.

Die Situation war aufgeregt, die Einsatzkräfte waren es auch. Große Unsicherheit bestimmte die Szenerie – niemand wusste, weshalb so ein riesiges Archiv und ein Nachbargebäude einfach eingestürzt waren. Keiner konnte abschätzen, ob womöglich noch mehr passieren konnte, ob der Untergrund rund um den Kölner Waidmarkt insgesamt instabil war. Selbst Rettungskräfte hatten unter diesen Umständen ein wenig Angst.

Es sollte eine Zeit lang dauern, bis Übertragungswagen des WDR vor Ort waren. So lange informierte ich per Handy die Hörerinnen und Hörer der verschiedenen Wellen. Als der Hörfunk-Ü-Wagen dann endlich eingetroffen war, hatte ich mir noch keine Vorstellungen darüber gemacht, dass er quasi für die folgenden zwei Wochen mein „Zuhause“ werden sollte. Etliche Stunden verbrachte ich vor Ort, im Zehn-Minuten-Takt wurde ich in die verschiedenen Radiowellen geschaltet.

Das Thema sollte mich in den Jahren danach weiter beschäftigen. Die politische Aufarbeitung war genauso spannend wie die juristische. Der Archiv-Einsturz ist eine Wunde im Kölner Stadtgedächtnis – auf mehrfache Art und Weise. Finanziell soll nun „der Deckel drauf“ gemacht werden – zumindest was den Schaden für die Stadt Köln angeht. Also für uns Bürgerinnen und Bürger. 600 Millionen Euro sollen die beteiligten Baufirmen als Entschädigung zahlen. Und es gibt noch viele weitere Details in dem entsprechenden Vergleichsvorschlag. Der Kölner Stadtrat wird darüber in einer abendlichen Sondersitzung am 29. Juni 2020 beraten. Ich werde wieder als Reporter für den WDR vor Ort sein.

Hier noch einige Eindrücke aus meinem Fotoarchiv (interessante, historische Fotos aus Köln und Umgebung gibt es immer wieder übrigens auch unter "Retrospektive Rheinland" bei Instagram - abonniere doch mal: https://www.instagram.com/retrospektive_rheinland/


Samstag, 25. April 2020

Erinnerungen an Norbert Blüm


Norbert Blüm lebt nicht mehr. Der CDU-Politiker und langjährige Bundesarbeitsminister ist gestorben. Ich erinnere mich gerne an einen lebenslustigen Menschen, der (fast) immer ein Lächeln auf den Lippen hatte. Kennengelernt habe ich ihn Anfang der 1990er Jahre - zu einer Zeit, als ich unter anderem als Reporter noch viel selbst fotografiert habe. Im Laufe der Jahre sind wir uns immer wieder begegnet. Und ich habe ihn nie - so wie manche andere Politiker und Prominente - abweisend oder arrogant erlebt.

Gut gelaunt zu Hause
In seiner Bonner Wohnung empfing Norbert Blüm auch stets gut gelaunt zum Interview. Auch wenn es eilig war, hatte er immer einen frischen Kaffee und ein paar persönliche Worte parat. Auch in der Öffentlichkeit war er stest für eine Pose gut. So berichtete ich einst für das Bonner Anzeigenblatt "Schaufenster" über ein Straßenfest im Stadtteil Duisdorf. Begleitet von einem Pulk aus Journalisten suchte Blüm das Gespräch mit vielen Menschen, trank hier und da ein Kölsch oder einen türkischen Tee, griff auf der Bühne zu Blasinstrument und Dirigentenstab.

Handstand auf dem Straßenfest
Diese Fotos aber hatten alle - und ich wollte doch als jungen Journalist zeigen, dass selbst ein Anzeigenblatt exklusive Bilder veröffentlichen kann. Also sprach ich Norbert Blüm einfach an. Grinsend fragte er zurück: "Was soll ich denn Ihrer Vorstellung nach jetzt machen? Einen Handstand, oder was?!" Freundlich antwortete ich ihm: "Hm, wenn Sie das schon selber vorschlagen, warum eigentlich nicht?" Flugs zog er sein Jackett aus, legte es auf den Boden und erkundigte sich, ob ich meine Kamera "schussbereit" hätte. Nachdem ich das bestätigt hatte, stellte er sich tatsächlich auf den Kopf. Ich werde diesen Reportereinsatz mit einem ungewöhnlichen Menschen nie vergessen.

Soziales Gewissen der CDU
Wir sind uns noch unzählige Male begegnet. Persönlich bewunderte ich seine politische Haltung, nicht umsonst wurde er gern als "soziales Gewissen" der CDU bezeichnet. Er sorgte dafür, dass soziale Themen in der Union nicht "unter die Räder kommen". Der Mann, der sich aus einfachen Verhältnissen "hochgearbeitet" hatte, hat seine Herkunft niemals vergessen. Er setzte sich für die Schwachen ein - so bei seiner Reise noch vor wenigen Jahren in ein Lager für Geflüchtete. Oder als wir einen Verbandstag des DJV (Deutscher Journalisten-Verband) in seiner Heimatstadt Bonn planten.

Einsatz für die Pressefreiheit
Ich rief ihn an und fragte ihn, ob er bereits wäre, zu einer Demonstration für die Freilassung türkischer Journalistinnen und Journalisten zu kommen, dort zu reden. Er sagte spontan zu, hielt ein leidenschaftlichen Plädoyer für die Pressefreiheit und ließ symbolisch Luftballons mit uns steigen. Diesmal konnte ich das nicht fotografieren. Diesmal durfte ich als DJV-Bundesvorsitzender neben ihm stehen. Norbert Blüm wird mir fehlen. Und er wird dieser Gesellschaft fehlen.

Donnerstag, 7. März 2019

Trauriger Abschied vom Medien-Museum


Es scheint wohl nicht abwendbar: Wie die Berliner "tageszeitung" (taz) berichtet, muss das "Newseum" in Washington schließen. Das einzigartige Medien-Museum lässt sich offenbar nicht mehr finanzieren - und das ist aus meiner Sicht jammerschade. Ich habe viele schöne Stunden in dem Ausstellungshaus verbracht. Und ich habe gerne Eintritt dafür bezahlt. Das ist nicht selbstverständlich, denn die staatlichen Museen in direkter Nachbarschaft locken allesamt mit freiem Eintritt. Trotzdem ist es etwas Besonderes, gerade für Medienschaffende: Eine Zeitreise durch die Geschichte des Berichtens, der Berichte und des Berichtenswerten.

Man kann Zeitungen aus aller Welt bewundern, wobei es spannend ist, neben Blättern in chinesischen oder russischen Schriftzeichen auch den "Tagesspiegel" aus der Heimat zu entdecken. Man kann ein Laptop sehen, das von einem Journalisten in Kriegsgebieten eingesetzt wurde. Imposant ist auch eine große Wand, an der mit Bildern an getötete Kolleginnen und Kollegen erinnert wird. Auf mehreren Etagen gibt es so viel zu sehen, dass für einen Besuch immer etwas mehr Zeit eingeplant werden sollte... Und jetzt soll es bald schließen

Wer also vorher noch nach Washington kommt, sollte sich die Ausstellung unbedingt noch ansehen. Schade finde ich aber auch, dass das "Newseum" offenbar so defizitär war, dass es kaum noch als Vorbild für ein ähnliches Haus in Europa - oder sogar in Deutschland - dienen kann. Trotzdem: Journalismus ist zwar eine Zukunftsbranche, trotzdem ist er es auch Wert, sich in einem Museum mit seiner Geschichte und seiner Gegenwart vertraut zu machen.

Nachtrag Januar 2020: Das Museum hat inzwischen geschlossen :-(
https://www.newseum.org/about/



Impressionen aus dem "Newseum" / Fotos: Frank Überall

Mittwoch, 29. März 2017

"... auch das noch": Warum Frank manchmal nicht überall ist


Dem Begriff „auch“ kann man sprachlich nicht unbedingt eine beeindruckende Eleganz unterstellen, auch und gerade dann nicht, wenn er in einem Text besonders häufig vorkommt. Das wiederum ist im vorliegenden Text der Fall. Denn manche wundern sich, dass ich als Vorsitzender des Deutschen Journalisten-Verbands (DJV) mich manchmal nicht auf Anfragen melde oder das (zu) lange dauert. Letztlich bin ich aber „auch“ nur ehrenamtlicher Vorsitzender des DJV – was auch viele zeitliche Herausforderungen mit sich bringt. Mit diesem Text möchte ich dafür um Verständnis werben, dass manche Anfrage – manchmal auch versehentlich – als überforderndes „Auch“ bei mir wahrgenommen wird: Weil es auch ein Anliegen ist, mit dem ich mich gerne beschäftigen möchte, es aber rein physisch nicht kann oder zumindest derzeit nicht kann.

Ich bin auch nur ein Mensch: Zugegeben, ein Mensch, dessen Arbeitsleben vielen Rätsel aufgibt. Neben meinem Ehrenamt als DJV-Bundesvorsitzender (ja, es gibt eine Aufwandsentschädigung, aber von der allein kann und soll ich nicht leben) bin ich als freier Journalist und als Medien- und Sozialwissenschaftler schwer aktiv. Mein Tag müsste eigentlich viel mehr als 24 Stunden haben. Hat er aber nicht. Da bleibt auch manches auf der Strecke. Da bin ich nicht „überall“. Allen, die ich damit zuweilen nerve, bitte ich auf diesem Wege zum Verzeihung. Vielleicht hilft es ja, wenn ich im Folgenden beschreibe, warum meine Situation so ist, wie sie ist.
Da schreibt mir beispielsweise die Betreiberfirma eines großen sozialen Netzwerkes, dass sie mich zu einer Diskussionsrunde einladen möchte. Eigentlich bedeutet das eine Tätigkeit für mich, die sich im zeitlich überschaubaren Rahmen hält. Aber eben auch nur eigentlich. Denn die Realität frisst Minute um Minute: E-Mail lesen, Anliegen identifizieren, Thema erfassen und prüfen, ob ich dazu überhaupt etwas zu sagen hätte, ob ich an diesem Diskurs teilhaben möchte. Nächster Schritt: sich inhaltlich dafür entscheiden. Dann jedoch muss in der Folge der Termin geprüft werden. Ich werfe einen Blick in den Kalender: Da steht schon ein anderer, wichtiger Termin, der Monate vorher vereinbart worden ist und den ich nicht absagen kann. Die Absage muss also diesmal an die Netzwerk-Diskutierer gehen. Ich setze einen Text auf, prüfe ihn noch einmal kurz auf Tippfehler, schicke ihn ab. Mindestens zehn Minuten hat das gekostet. (Dass die Mail als unzustellbar zurück kam, selbst als ich sie aus einem alternativen Mailaccount noch einmal abgeschickt und gewissenhaft geprüft habe, ob ich die Mailadresse korrekt eingegeben habe – das will ich an dieser Stelle nicht in die Routinebeschreibung aufnehmen. Es zeigt aber, dass es meist sogar noch länger dauert.)
Bei oft rund 300 Mails, die mich am Tag erreichen, muss zwar nur ein Teil davon derart intensiv „behandelt“ werden. Aber mehr als fünf oder sechs die Stunde sind nicht machbar, das muss ich wohl akzeptieren. Und es gibt ja auch noch andere Termine: Dienstreisen, Gespräche mit Politikern, Podiumsdiskussionen, Interviews, Besuche von Livesendungen in Fernseh- und Radiostudios, Teilnahme an Demonstrationen, Sitzungsteilnahme in internen Gremien, Besprechungen mit der DJV-Geschäftsstelle und vieles mehr. Ach ja, ich vergaß: Einen Beruf habe ich auch noch. Ich bin kein hauptamtlicher Gewerkschaftschef. Meine Brötchen verdiene ich auch als Professor und als freier Journalist. Beides ziemlich aktiv. Und ein Privatleben gibt es manchmal auch noch.

Samstag, 16. Juli 2016

Medien in der Türkei: Ein Trauerspiel

Die Ereignisse überschlagen sich. Anfang der Woche war ich noch in Istanbul, um Redaktionen oppositioneller Medien sowie Journalistengewerkschaften und -verbände zu besuchen. Was ich dort erlebt habe, war beklemmend - aber gleichzeitig durfte ich beobachten, wie Kolleginnen und Kolegen in der Türkei trotz aller Widrigkeiten einfach ihren Job machen. DIe Pressefreiheit war schon vor dem versuchten Militärputsch eingeschränkt. Aus meiner Sicht willkürliche Strafverfahren sollten Journalisten offenbar einschüchtern.

Frank Überall vor der schwer gesicherten Redaktion von "Cumhuriyet" in Istanbul. (Foto: Pascal Beucker, www.beucker.de)
Wie es jetzt weiter geht, ist völlig unklar. Ich stehe in Kontakt mit einigen Kolleginnen und Kollegen in der Türkei. Sie sind verunsichert, sie wissen nicht, was auf sie zukommt. Präsident Erdogan hatte in der Nacht des Putschversuchs die nicht staatlichen Medien genutzt. Da hat sich gezeigt, wie wichtig funktionierende Pressefreiheit ist. Nun darf Erdogan diese Medien nicht weiter in ihrer Arbeit behindern. Das muss auch nachhaltiger zum Thema aller Gespräche der deutschen Regierung und der EU-Vertreter mit den türkischen Behörden werden. Es ist ein Trauerspiel, was sich in der Türkei abspielt. Ich wünsche mir so sehr, dass es eine friedliche Entwicklung gibt, die dann auch zu einer echten Demokratisierung der Türkei führt. Ich hoffe, dass mein Optimismus nicht enttäuscht wird.

Informationen zu meiner jüngsten Türkei-Reise gibt es unter anderem unter diesen Links:

Interview bei n-tv.de

Bericht in der Berliner "tageszeitung" (taz)

DJV-Pressemitteilung: "Journalismus ist kein Verbrechen"

"kress.de" zu Gewerkschaftsarbeit in der Türkei

Video: Interview beim TV-Nachrichtensender ntv

DJV-Pressemitteilung 16.7. (nach Rede Bundeskanzlerin Angela Merkel)

Interview bei IMC TV (Foto: Pascal Beucker, www.beucker.de)





Dienstag, 24. Mai 2016

#starkesUrheberrecht: Eine Frage des (Über-)Lebens



Urheberrecht – das klingt erst mal etwas sperrig. Für Journalistinnen und Journalisten (und nicht nur für die!) ist es aber ein rechtlicher Rahmen, der über das Überleben entscheidet. Es ist nicht (mehr) selbstverständlich, dass für die Nutzung geistigen Eigentums bezahlt wird. Das Internet hat die Sitten verlottern lassen. Viele meinen, „Content“ sei gratis zu haben, weil jeder Texte, Töne und Bilder kostenfrei herstellen und anbieten kann. Diese Haltung berücksichtigt aber nicht, dass es Profis gibt, deren beruflich die redaktionelle Erarbeitung von Inhalten ist. Genauso wie es Millionen Hobby-Fußballspieler gibt, gibt es sicher genauso viele Hobby-Journalisten. In beiden Bereichen jedoch gilt: Wer mit guter Ausbildung und professionellem Handwerk aktiv ist, muss von diesem Beruf aber auch leben können.
 
Die Bundesregierung hat das prinzipiell erkannt, indem sie sich auf die Fahnen geschrieben hat, die Situation der Urheberrinnen und Urheber verbessern zu wollen. Ein erster Entwurf des Justizministeriums von Heiko Maas (SPD) ging da schon in die richtige Richtung – der spätere Entwurf der Bundesregierung aber droht die Situation nicht zu verbessern sondern zu verwässern.

Der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) jubiliert bereits über das Gesetz, das für Urheber ein Grauen ist. Ob Journalistinnen und Journalisten mit ihren Honoraren auf das Niveau von Mindestlohn kommen, ist der Zeitungs-Lobby offenbar gleichgültig. Und bei der Diskussion um „untergeordnete Werke“, für deren Nutzung ein angemessenes Entgelt fällig wird, verweigern sich die Verleger grundlegend: Sie haben bereits angekündigt, das geöffnete Törchen des Gesetzentwurfs weiträumig nutzen zu wollen. Selbst eine „Seite 3“ der Süddeutschen Zeitung wäre nach Verleger-Definition bloß ein „untergeordnetes Werk“, das sie profitabel weiter vermarkten können, ohne dass Urheber daran beteiligt werden. Auch das eigentlich vorgesehene Verbandsklagerecht soll ausgehöhlt werden: Für freie Journalistinnen und Journalisten wäre die Einführung einer solchen Klagemöglichkeit aber wichtig, weil sie allein zu schwach sind, um ihre berechtigten Interessen gegenüber Medienhäusern durchzusetzen.

Politikerinnen und Politiker in Bund und Ländern sind jetzt am Zuge: Sie müssen zeigen, dass ihnen die Kreativen in unserer Republik nicht egal sind. Sie müssen den Gesetzentwurf so anpassen, dass Medienmitarbeiter von ihrem Beruf leben können.


Hintergrund:

(Bericht der FAZ zu einer Veranstaltung in Sachen Urheberrecht beim Deutschen Anwaltverein und JVBB im DJV)

(Gastbeitrag von Frank Überall bei vorwaerts.de)

(Homepage der Initiative Urheberrecht)

(Blogparade zum Urheberecht)

- Dieser Blogbeitrag nimmt an der Blogparade #starkesUrheberrecht teil. -

Mittwoch, 17. Februar 2016

Sind wir nicht alle ein bisschen Presse?!

Journalistin oder Journalist darf sich jede/r nennen. Für viele ist es irgendwie auch attraktiv, sich damit zu schmücken "was mit Medien" zu machen. Wer das als solides Handwerk und hauptberuflich macht, sieht sich immer häufiger mit Amateuren und Möchtegern-Medienvertretern konfrontiert. Bei Demonstratationen, Veranstaltungen oder Pressekonferenzen tauchen zuweilen seltsame Gestalten auf. Ihnen geht es gar nicht darum, über die entsprechenden Termine zu berichten: Sie wollen einfach zur dabei sein, vermeintliche Vorteile genießen, sich wichtig tun. Deshalb kämpft unter anderem der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) darum, dass die Innenministerkonferenz den Presseausweis für hauptberuflich Tätige wieder formal anerkennt.


Denn es gibt inzwischen (zu) viele graue und schwarze Schafe auf dem Markt. Sie werben aggressiv für den Verkauf so genannter Presseausweise. Ein besonders drastisches Beispiel ist an diesen Tagen mitten in Berlin zu beobachten. An Laternen sind auffällige Reklameaufkleber (Foto) zu bewundern, auf denen Presseausweise wie Billigwaren angepreist werden. Folgt man dem angegebenen Internetlink, wird schnell klar, worum des den Initiatoren geht: Hier soll kein Arbeitsmittel für "echte" Journalistinnen und Journalisten verkauft werden, es geht um etwas ganz anderes. "Kann hier wirklich jeder einen Presseausweis bestellen?", ist auf der Internetpräsenz des eigenwilligen Unternehmens zu lesen. Die darunter veröffentlichte Antwort ist entlarvend: "Ja, du musst aber die Absicht haben für die Presse zu arbeiten!" Es reicht also, mal locker zu erklären, dass man gerne "was mit Medien" machen will, und schon flattert für einen saftigen Preis ein eigentlich wertloses "Ausweisdokument" in den heimischen Briefkasten... Mit seriösem Journalismus hat das aus meiner Sicht nicht viel zu tun. Mehr zum legitimen Presseausweis gibt es unter diesem Link.

Linktipps: 
- Stefan Laurin berichtete am 3. März 2016 in der Tageszeitung "Die Welt" über das Thema.
- Interview mit Polizei-Gewerkschafter Rainer Wendt u.a. zu Presseausweisen bei augenzeugen.info
- Tagesspiegel-Bericht zur Wendt-Forderung nach offiziellem Presseausweis